Donnerstag, 26. Juli 2012

Warten, warten, warten...

O-Ton vom Arzt. Viel mehr kann ich im Moment nicht machen. Zumindest habe ich die kritische Anfangsphase, in der die Gefahr eine lebensgefährlichen Blutung am höchsten ist, überwunden. Eine kleine Restangst bleibt trotzdem. Die erste Hälfte des ersten Behandlungszyklus ist geschafft. In ein paar Tagen dürfte mein Blutbild sich schon laaangsam wieder verbessern. Bald steht auch die nächste Knochenmarkpunktion an und ich habe, trotz, dass ich diese Erfahrung ja nun schon machen durfte, wieder ein wenig Angst davor. Na gut, wer lässt sich schon gerne eine nicht allzu kleine Nadel in den Knochen rammen?! Anfang nächster Woche gibt´s einen Ultraschall vom Baby. Ich bin schon ganz gespannt. 


Nun hat man mir noch eine wundervolle Tinktur angedeihen lassen, zur Mundsoor-Prophylaxe (auch wegen des Antibiotikums). Geschmacklich ist das ja noch erträglich, aber die Konsistenz, die das Zeug entwickelt während man es im Mund hat ist wirklich widerlich. Ruft bei mir einen ausgeprägten Würgereiz hervor. Und das Beste, dieser schleimige Brei muss dann auch noch runtergeschluckt werden. Mindestens 4 mal am Tag muss ich das anwenden. 


Gestern hatten mein Mann und ich einen echten Durchhänger. Ich schon als er hier bei mir war, er später, zu Hause. Es ist unglaublich schwierig, wenn man diese körperliche Nähe zum Partner nicht hat. Küssen ist verboten, eine Umarmung nur mit Mundschutz und Kittel erlaubt. Händchen halten ist okay. Gefühle können nicht mehr in Körperlichkeit umgesetzt werden, also muss man sie dem Partner erzählen, beschreiben und die Gespräche, die dabei entstehen bringen eine ganz andere Art von Nähe und Kommunikation zu Tage. 

Was ich hier wirklich gut brauchen könnte, ist ein kleiner Kühlschrank. Was würde ich für eine eiskalte Cola geben. Das Getränkeangebot beschränkt sich hier auf lauwarmes Mineralwasser oder Tee. Selbst Mitgebrachtes wird total schnell warm. Gestern Abend musste ich feststellen, dass die Schokolade in meinem Nachttisch schon fast als geschmolzene Kuvertüre durchgehen würde. 


Jeden 2. Tag beziehe ich hier mein Bett frisch und heute war ich danach tatsächlich k.o. Ich habe EIN Bett frisch bezogen und hatte danach das Gefühl, ich bin einen Marathon gelaufen. Da wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass mein Körper seine Kräfte wohl doch für wichtigere Dinge braucht und ich wahrscheinlich über die Zeit der Therapie nicht mehr so powern kann wie sonst. Auch später zu Hause nicht. 


So, mal sehen wie ich den Rest des Tages noch rumbekomme. Irgendwas aus meinem "Entertainment-Pool" lacht mich bestimmt noch an.

Dienstag, 24. Juli 2012

Zwei mal Nasenbluten seit gestern Abend. Da wird mir erst mal bewusst wie spontan so ne dämliche Blutung auftreten kann. So lange es nur die Nase ist... und es hörte Gott sei Dank auch innerhalb von ca. 20 Minuten wieder auf.


Meine Blutwerte sind durch die Chemo natürlich entsprechend bescheiden. Nur die Gerinnung wird immer besser, hat fast schon Normalniveau. Das bedeutet schon mal, dass die Therapie nicht fruchtlos ist. Zusätzlich bekomme ich nun seit heute ein Antibiotikum, weil meine Entzündungswerte etwas angestiegen sind und eine fieberhafte Infektion natürlich um jeden Preis vermieden werden soll. 


Ich hoffe mein Baby steckt das alles auch gut weg. 


Inzwischen sind meine Schwiegereltern aus Norwegen zurück und mein Mann ist froh über die zusätzliche Unterstützung. 


Manchmal hab ich ein bisschen Angst, dass der Kleine mich gar nicht mehr erkennt, wenn er mich irgendwann mal wiedersieht. Es ist mir klar, dass er mich nicht in dem Umfang vermisst wie der Große, aber ab wann entfremdet man sich denn von einem Kind - von dem eigenen Kind? Ich bin natürlich unendlich froh, dass die beiden nicht den ganzen Tag nach mir jammern, zu Hause alles gut läuft und die beiden so toll betreut werden und ihnen das offensichtlich auch sehr gut tut, aber ich will meinen ersten Platz nicht abgeben.


Heute ist so ein Tag an dem ich mich mal wieder frage "Warum ich?" Hab ich schlechtes Karma gesammelt? Ist das die Strafe dafür, dass ich immer dachte "Sowas trifft mich schon nicht."?! Aber sind wir mal ehrlich. In gewisser Weise wahren wir doch zu solchen Themen, die sich mit schlimmen Krankheiten, Tod und Sterben, Leid und Ungerechtigkeit in der Welt auseinandersetzen, immer eine gewisse Distanz. Wie auch sonst, sollte man überhaupt in der Lage sein das eigene Leben zu genießen? Wenn man sich ständig Sorgen und Gedanken um Eventualitäten macht verpasst man so einiges. 


Auf meine Frage werde ich wohl so schnell keine Antwort bekommen, aber wenn ich irgendwann denjenigen treffe, der sich diesen Plan für mein Leben ausgedacht hat, werde ich ihm kräftig vor´s Schienbein treten und fragen, was zum Teufel er sich dabei gedacht hat. Vielleicht hab ich bis dahin auch schon einen tieferen Sinn in der Sache gefunden und das Ganze hat sich erledigt. 











Montag, 23. Juli 2012

Was passiert jetzt?

So, erst mal zu den Fakten: Das weitere Programm beinhaltet vorerst mal gar nix Dramatisches. Tägliche Blutentnahme, zur genauen Kontrolle des Blutbildes, denn es ist vorprogrammiert, dass die normale Blutbildung jetzt rückläufig wird, bis sie dann für wenige Tage komplett aussetzt (Aplasie) um dann (hoffentlich "gesund") wieder anzufangen. 
Bis dahin werden eventuell benötigte Blutbestandteile transfundiert und bei dem kleinsten Verdacht einer Infektion (oder auch schon prophylaktisch) gibt´s ein Antibiotikum. Ein bisschen Angst hab ich schon vor dieser Aplasie. Welche Auswirkungen hat das wohl auf meinen Körper und mein Befinden? Was, wenn ich wirklich eine "harmlose" Erkältung bekomme?! Und fallen dann auch die Haare aus?
An Tag Nr. 15 (die Rechnung begann letzten Sonntag, als ich mit den Tabletten anfing) gibt es eine erneute Knochenmarkpunktion. Das wäre dann also nächste Woche Montag. 


Die Suche nach einem Namen für die Kleine läuft auf Hochtouren... wobei wir uns da wohl schon recht einig sind. Wenn´s an der Zeit ist, werdet ihr ihn erfahren.


Ich hoffe so sehr, dass ich, bevor die Kleine dann irgendwann nach Hause kommt, selbst noch mal nach Hause darf. So gern würde ich meinem Mann bei den ganzen Vorbereitungen helfen. Ich möchte doch auch, dass die Kleine es zu Hause direkt schön hat und sich geborgen fühlt. Schlimm, wenn Frau ihren Nestbautrieb nicht ausleben kann ;-)


So, in Kürze wird wohl mein Mann kommen.


Ich halte euch auf dem Laufenden!







Sonntag, 22. Juli 2012

Runde 1

Ähm... und das war´s jetzt oder wie? 


Okay, eben lief die letzte Chemo für diesen ersten Zyklus (drei weitere folgen). Wie lange genau jetzt Pause ist, bis es weitergeht - wie es überhaupt genau weitergeht - weiß ich noch gar nicht. Irgendwann in der nächsten Zeit folgt wieder eine Knochenmarkpunktion, um festzustellen, ob ich eine Voll - oder eine Teilremission erreicht habe (ob die Chemo, die Leukämie ganz oder nur zum Teil verdrängen konnte). Die Wartezeit bis dahin wird wohl nervenaufreibend. Was, wenn die angefangene Therapie nicht die gewünschten Erfolge zeigt?  


Soll ich jetzt also ein Häkchen im Kalender machen oder die Tage abstreichen oder irgendwie sowas?


Meine Kinder habe ich jetzt genau eine Woche lang nicht gesehen. Ich bin schon fast drei Wochen im Krankenhaus - wo ist die Zeit geblieben? Die Tage ohne Besuch sind manchmal echt lang, wenn man nur in einem kleinen Zimmer ist und begrenzte Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigung hat. Aber ich will mich nicht zu viel beschweren, denn lieber langweile ich mich ein bisschen und fühle mich dabei gut, als dass ich im Bett liegen muss, weil es mir nicht gut geht.


Im Laufe der Woche kommen meine Schwiegereltern von ihrem Norwegen-Urlaub zurück. Der Bruder meines Mannes, mit Frau und Kindern, befindet sich auch noch in Spanien. Meine Eltern sind beide berufstätig und noch dazu ist meine Mutter leicht gehandicapt durch eine OP an der Hand. Wenn diese Umstände sich erst mal wieder normalisiert haben, hoffe ich, dass mein Mann auch noch etwas entlastet wird mit den Kindern und, dass wir uns vielleicht auch etwas häufiger sehen können. 













Samstag, 21. Juli 2012

Ein schöner Tag

Gestern war ein schöner Tag. Kann ich das so sagen? Unter diesen "Umständen"? Ich denke schon. Ich meine, trotz, dass ich krank bin, bin ich ja immer noch ich. Okay, ich teile meinen Körper grad nicht nur mit einem Baby, sondern auch noch mit einem widerlichen kleinen Schalentier, nichts desto trotz bietet das Leben doch die ein oder andere schöne Facette. Ja, auch in so einer Situation.


Zuerst kam mein Mann überraschend zu Besuch. Das war so gar nicht geplant, sein Tag war eigentlich verplant (Arbeit, Krankengymnastik mit dem Kleinen, Einkauf...). Dank meiner Eltern, die am späten Nachmittag die Kinder übernommen haben, stand er dann spontan in der Tür. War das schön <3


Am Abend rief mich eine ganz besondere Person an. Nennen wir sie mal Aurora (falls du das liest, weiß ich genau, dass du diesen Namen mit dir in Verbindung bringen wirst ;-)). 
Wir kennen uns schon lange, schon über 10 Jahre und wir waren früher unzertrennlich. Beste Freundinnen. Leider entwickelte sich das alles dann irgendwann in eine völlig falsche Richtung. Ich machte Fehler, die Freundschaft geriet ins Wanken. Sie zog weit weg und der Kontakt brach ab. Das war im Sommer 2009. Gestern Abend haben wir zum ersten Mal seitdem miteinander telefoniert. Von meiner Diagnose wusste sie schon. Es tat unendlich gut ihre vertraute Stimme zu hören. Es gibt so viel zu erzählen. Wir haben so viel voneinander verpasst. Ich hoffe wir haben bald ganz viele Gelegenheiten das nachzuholen. 



Donnerstag, 19. Juli 2012

Freitag, der 13.

Ich bin 24 Jahre alt, sehr glücklich verheiratet, habe zwei wundervolle kleine Jungs und bin mit einem kleinen Mädchen in der 21. Woche schwanger. 


Und ich habe Leukämie.


Ich würde gern meine Geschichte mit euch teilen. Zum Einen, weil es mir hilft über meine Gefühle, Ängste und alle wirren Gedanken zu schreiben. Zum Anderen, weil ich hoffe vielleicht jemanden zu finden, der mal in einer ähnlichen Situation war.


Puhhh... dann leg ich mal los. In den letzten Tagen ist viel passiert und ich will versuchen euch einen verständlichen und komprimierten Einblick in meine aktuelle Situation zu geben. Eine Basis für kommende Posts.


Am 3.7. hatte ich einen Routine Vorsorge Termin im Rahmen meiner Schwangerschaft bei meinem Gynäkologen. Dort fiel auf, dass meine Blutwerte nicht okay sind. Die Gerinnung war miserabel (was die vielen blauen Flecke erklärte, die in letzter Zeit hatte), die Leukozyten waren zu niedrig und die Thrombozyten so weit unten, dass eine gefährliche Blutung nicht auszuschließen war. Nach einigen Überlegungen und Telefonaten war ich bereits am nächsten Morgen auf dem Weg ins Krankenhaus. 


Vorerst wurde ich gynäkologisch aufgenommen, da der Verdacht bestand, es könnte etwas mit der Schwangerschaft nicht stimmen. Das bestätigte sich jedoch nicht. Alle Werte waren okay, dem Baby ging es sehr gut. Ich war beruhigt.


Man verlegte mich auf die Hämatologie/Onkologie. Dort wurden weitere Blutuntersuchungen durchgeführt, die keinerlei neue Erkenntnis brachten. Die einzelnen Puzzleteile ließen sich nicht zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Mein behandelnder Arzt legte mir nahe eine Knochenmarkpunktion vornehmen zu lassen, um eine schlimmere Diagnose sicher ausschließen zu können. 


Freitag, der 13.7. morgens um 10 Uhr fand die Knochenmarkpunktion statt, am gleichen Nachmittag noch bekam ich die Nachricht "Sie haben Leukämie." Genauer gesagt "Akute Promyelozyten Leukämie" eine der seltensten Formen, aber dafür mit prognostisch günstigen Aussichten. 


Von da an liefen alle Vorbereitungen auf Hochtouren. Es wurde mir ein zentraler Venenkatheter gelegt, das Baby wurde noch ein mal genau angeschaut. Bereits am Sonntagabend nahm ich die ersten Tabletten und am Montag bekam ich die erste Chemo. Seitdem darf ich auch meine Kinder nicht mehr sehen. Infektionsgefahr zu hoch. Der Abschied war grauenvoll. Skype sei Dank kann ich trotzdem noch ein bisschen am Familienleben teilhaben. Das Gleiche ist es irgendwie trotzdem nicht. 


Neueste Studien belegen, dass eine Chemotherapie während einer Schwangerschaft durchaus anwendbar ist und, dass viele Babys keinerlei Probleme entwickeln. Risiken gibt es natürlich immer. 


Eine natürliche Geburt und auch das Stillen kommt unter diesen Umständen nicht für mich und das Baby in Frage, das Risiko für Komplikationen wäre viel zu hoch. Ein Kaiserschnitt (etwa in der 30.-32. Woche) ist angedacht. Meine Werte müssen stabil sein, das Baby hat ab der 28. Woche gute Überlebenschancen und soll nicht unnötig viel von der Chemotherapie abbekommen. 


Zur Zeit befinde ich mich also im ersten Chemotherapiezyklus. Freitag und Sonntag steht jeweils noch eine Zytostatikagabe an und dann heißt es Warten. Immer wieder bekomme ich verschiedene Präparate, um meine Blutwerte zu pushen (Thrombozyten, Erythrozyten, Gerinnungsfaktoren...). 


Im Großen und Ganzen geht es mir gut. Ich spüre keine Nebenwirkungen (noch nicht). Aktuell beschäftigt mich (neben der ständigen Sorge um mein Baby) der wahrscheinlich bevorstehende Haarausfall durch die Chemotherapie. 


Wie lange genau ich nun noch im Krankenhaus bleiben muss weiß ich nicht. Möglich ist alles: von ein paar Wochen bis hin zu ein paar Monaten. 


Viele offene Fragen kann mir niemand beantworten. "Wird mit dem Baby alles gut? Werde ich das alles weiterhin so gut vertragen? Kann ich mein Baby nach der Geburt regelmäßig sehen? Wie wird der Verlauf der Therapie sein? Wird die Chemo anschlagen?..." Alles Dinge, die von Patient zu Patient unterschiedlich sein können. Dazu kommt noch meine besondere Situation mit der Schwangerschaft. 


Ich bin unendlich dankbar, dass ich so tolle Freunde und eine unglaublich liebenswerte Familie habe, die mir jetzt den Rücken stärken.


Wäre ich nicht schwanger, wäre ich wahrscheinlich noch immer unwissend darüber, was gerade in meinem Körper passiert, denn Krankheitsanzeichen hatte und habe ich keine. Ich wäre nicht zum Arzt gegangen (nur wegen ein paar blauer Flecken?!). Mein Babymädchen hat mir mein Leben gerettet. 


Jetzt bin ich dran!